Teppichproduktion und Kinderarbeit - EUCA European Carpet-Importers Association e.V.

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Teppichproduktion und Kinderarbeit

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Kinderarbeit
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Einzelhandel und Käufer

 
 

Wenn bei uns von Kinderarbeit die Rede ist, dann wird sehr schnell über Teppiche und 'Teppichkinder' gesprochen. Das ist eigentlich seltsam und gar nicht so naheliegend - wie viele vielleicht vermuten. Wir haben uns bloß daran gewöhnt.

Bleiben wir beim Beispiel Pakistan:
von den rd. 10 Millionen Kindern, die dort arbeiten, sind etwas mehr als 7,5 Millionen in der Landwirtschaft tätig, etwa 2 Millionen arbeiten in Ziegeleien, weitere 75.000 in der Zementindustrie. 150.000 sind bei der Produktion von Lederwaren beschäftigt und ebenso viele sind in die Herstellung von Sportgeräten und Sportschuhen eingebunden.

Stimmt die Rechnung, dann würden noch 125.000 Kinderarbeiter für die Teppichherstellung übrigbleiben ... gäbe es da nicht die vielen Kinder, die sich in der Zementindustrie, bei der Produktion chirurgischer Instrumente, in der Streichholz- und Feuerwerksproduktion, in der Glasindustrie bei der Herstellung von Glühbirnen und als Haushaltshilfen, Prostituierte, Bettler sowie als Müllsucher ihren Lebensunterhalt verdienen müssen.

Es ist außerdem bekannt, dass von allen Kinderarbeitern in Indien weniger als 5% bei der Herstellung von Artikeln mitarbeiten, die für den Export produziert werden. Von diesen 2,25 Millionen Kindern arbeiten maximal 1 bis 1,5 Prozent in der Teppichbranche. Wir sehen: der Einsatz der Kinder bei der Teppichproduktion ist nicht so groß, wie oft erzählt wird. Natürlich sind auch 20-30.000 Kinderarbeiter immer noch 20-30.000 Kinder zuviel, aber es rechtfertigt -- angesichts einer Zahl von 45 Mio. Kinderarbeitern -- keinesfalls die Tatsache, dass Teppichknüpfen manchmal quasi als Synonym für Kinderarbeit hingestellt wird.

Und dann gibt es da noch die Geschichte von den sogenannten "Nimble fingers", den flinken, kleinen, geschickten Fingern von Kindern, die angeblich in der Lage sein sollen, Teppiche schneller und feiner zu knüpfen, als die Hände erwachsener Knüpfer. Die Erfindung dieses Gerüchtes verdanken wir der Anzeige eines deutschen Teppichhändlers, die Mitte der 80er Jahre veröffentlicht wurde, und mit der ihr Urheber seinen Umsatz anzukurbeln hoffte. Über seinen diesbezüglichen Erfolg wissen wir nichts, aber nachhaltiger hätte er seine Werbebotschaft kaum wählen können, denn die Story lebt bis heute hartnäckig in den Köpfen vieler Verbraucher weiter.

Die Wahrheit ist, dass Untersuchungen aus Indien zeigen, dass die Leistung von Kinderknüpfern im Vergleich weit hinter den Ergebnissen Erwachsener zurückbleibt - und das in allen Qualitätsbereichen [Erw.: 77,4%, Kinder: 22,6%].

Herstellung und Export handgeknüpfter Teppiche ist für viele Länder der Dritten Welt ein wichtiger Existenzfaktor. Für Länder wie Pakistan, Afghanistan, Iran, Indien, China, Nepal, usw. bildet die Ausfuhr von Teppichen eine bedeutsame Einnahmequelle für Devisen. Oft sind ganze Landstriche wirtschaftlich abhängig vom Teppichexport. Das die Herstellerbetriebe meist in abgelegenen ländlichen Gebieten angesiedelt sind, wirkt zum einen der Landfluch entgegen und sorgt andererseits für Arbeitsplätze. In Zeiten, in denen die Landwirtschaft ruht, entstehen so zusätzliche Einnahmequellen für tausende von Familien.

Indiens Teppichproduktion findet überwiegend im sogenannten Carpet Belt statt. Das ist der 'Teppichgürtel', der sich in weitem Umkreis um die Städte Mirzapur und Bhadohi im Bundesstaat Uttar Pradesh im Nordosten des Landes hinzieht. Insofern ist auch die häufig benutzte Bezeichnung 'Teppichindustrie' irreführend. Zu mehr als 90% handelt es sich um Heimarbeit. Anders als in Nepal - wo es tatsächlich mittlere und große Teppichmanufakturen gibt - wird in Indien und Pakistan über entlegene Dörfer verteilt in Hütten gearbeitet, in denen höchstens 1-3 Knüpfstühle untergebracht sind.

Es gibt in Indien 280.000 registrierte Knüpfstühle, die räumlich über mehr als 150.000 km² verteilt sind. Man kann sich also leicht vorstellen, dass eine physische Kontrolle aller Knüpfstühle schnell an ihre Grenzen stößt und daher nur in sehr begrenztem Rahmen möglich ist. Hinzu kommt, dass sich auch die Einkäufer von Teppichen nur schwer ein Bild von den Verhältnissen machen können. Sie kaufen Teppiche in Musterräumen z.B. in Delhi oder Varanasi und haben i.d.R. nur selten Zeit und Gelegenheit, die Knüpfstätten zu besuchen. Zudem erschwert ein unübersichtliches System von Unternehmen, Subunternehmen, und Agenten den Durchblick. [Sogenannte Kontrakter beauftragen eine mehr oder minder große Anzahl von Agenten mit der Teppichproduktion und rüsten diese mit dem benötigten Material aus. Die Agenten vergeben dann Aufträge an die Oberhäupter der knüpfenden Familien und vereinbaren einen Quadratmeter- oder Stück-Lohn sowie den Fertigstellungstermin.]

Debohra Levison vom HUMPHREY INSTITUTE DER UNIVERSITY OF MINNESOTA hat bereits vor Jahren eine Studie vorgelegt, in welcher sie der Frage nach dem wirtschaftlichen Nutzen des Einsatzes von Kinderarbeitern für die indischen Teppichhersteller nachgegangen ist. Das Ergebnis entkräftet das oft bemühte Klischee von den billigen Produktionsmethoden: es macht im Prinzip keinen Unterschied in der Kasse der Produzenten, ob sie erwachsene oder jugendliche Knüpfer beschäftigen ! Vorausgesetzt ist dabei allerdings, dass keine illegale Bonded Labour, also Sklavenarbeit, die weitgehend unbezahlt bleibt, im Spiel ist. Die Knüfstuhlbesitzer - häufig Kleinbauern, die ihre Parzellen bewirtschaften - gelten als Betriebe des informellen Sektors. Als solche sind sie i.d.R. nicht angemeldet, unterliegen also nicht dem, was wir hier als 'Gewerbeaufsicht' bezeichnen. Als sogenannte 'Grenzproduzenten' können sie aber wirtschaftlich nur überleben, wenn sie extrem niedrige Löhne zahlen. Es fehlt ihnen an Know-how und an Kapital. Aber auch wenn sie Kinder ausbeuten, gehören sie dennoch nicht zu den 'Profiteuren' des Systems. Da sie jedoch für den Markt produzieren , sind sie durchaus mit dem formellen Sektor verbunden, der dann dank günstiger Preise seinen Nutzen zieht.

"Nur in den ersten drei Jahren seines Lebens verbraucht ein Kind mehr, als es verdienen kann. Von diesem Zeitpunkt an kann es mehr Nahrung heranschaffen, als es selbst isst." heißt es in einer indischen Untersuchung aus dem Jahr 1972. Kinder sind für die Familien der Armen nicht lästige Esser, sondern schon früh nützliche Verdiener. Hinzu kommt, dass sie auch die einzige Altersvorsorge darstellen, die den Armen offensteht.

Der Koordinator einer Nichtregierungs-Organisation in Südostasien erwähnt denn auch eine weitere, nämlich die ökonomische Funktion von Kinderarbeit, wenn er sagt: "Wer wollte etwa dagegen opponieren, dass Kinder ihren Eltern dabei helfen, lebensnotwendige Dinge, beispielsweise in der Landwirtschaft, zu erzeugen oder zu sammeln, und sich so die Natur zu erobern? Diese Tätigkeit dient nicht nur zur Lebenserhaltung, sondern ist außerdem auch ein sinnvoller Lernprozess!"

Tatsächlich betrachtet man in den Drittweltländern Kinderarbeit von einer anderen Warte, als dies hier getan wird. Aus dieser Sicht hat die Beschäftigung von Kindern nicht zuletzt auch den Stellenwert einer Berufsausbildung, die es dem Heranwachsenden später möglich macht, seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen.

 
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